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Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise auf die Schweizer Uhrenindustrie

Eine erschütternde Bilanz zog die Schweiz im Jahr 2009. Eine Rekordhöhe an Firmenkonkursen, die es zuvor noch nie gegeben hatte, ereilte das Land sowie ein Bruttoinlandsprodukt im negativen Wachstumsbereich. Aber trotz einer Wachstumsprognose von + 0,9 % für 2010 und + 1,9 % für das Jahr 2010 seitens der OECD - Experten für das Schweizer Bruttoinlandsprodukt, machte sich die weltweite Krise besonders in der Schweizer Uhrenbranche mit verheerenden Konsequenzen bemerkbar.

Obwohl namhafte Experten positive Wachstumsprognosen für die Uhrenindustrie abgeben, bilanzierte die Branche erhebliche Einbußen ihrer Exportgeschäfte - bis zu 25 % - und einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen sowie Kurzarbeitsmaßnahmen. Diese Folgewirkungen machten auch vor den Türen der CEO-Köpfe in vielen Unternehmen nicht Halt. Nobler, exklusiver, exotischer und teurer - diese Ziele verfolgten bislang die Manager in ihren Unternehmensstrategien. Doch die Weltwirtschaftskrise erreichte - wenn auch zeitverzögert - das Uhren Business und unterbrach den einzigartigen Höhenflug der Branche.

Während die Branche und zahlreiche ihrer CEOs trotz Krisenanzeichen zielgerichtet in exklusive Einzelstücke investierten, platze die Investitionsblase. Für Hersteller von traditionellen, mechanischen Qualitätsuhren im mittleren Preissegment hingegen kamen die Krise und ihre Auswirkungen auf Exporterlöse und Arbeitsplätze nicht überraschend. Im Gegenteil: Branchenkenner interpretieren die Marktlage wie folgt: "Wenn sich die Exporte in vier Jahren vervierfachen und der Durchschnittspreis einer mechanischen Qualitätsuhr im Laden auf 8.000 Franken klettert, dann überlegt der Konsument, ob er einen derart hohen Preis zukünftig bezahlen möchte."

Über zwanzig namhafte Unternehmen wie Zenit entließen ihre CEO-Köpfe fristlos auf Grund mangelnder Marktlagenkenntnisse sowie der unkonventionellen Produktpolitik und den daraus entstandenen Verkaufseinbrüchen. Dennoch werden Stimmen laut, die dafür plädieren, alle Fälle freigesetzter CEOs einzeln zu untersuchen, da viele Manager nicht versagt haben, sondern zu Unrecht entlassen worden sind. Die Entlassungen - so die Markt- und Branchenkenner - sprechen allerdings dafür, dass die Uhrenbranche erheblich verunsichert ist.

10vor10 vom 19.11.2009


Für Fachblätter der Uhrenbranche hingegen sind die exklusiven, teuren und folglich verrückten Zeiten endgültig vorbei. Deren Experten beschreiben die Krise als Auslöser für ein Umdenken in der gesamten high class Uhrenindustrie - ein Besinnen auf Traditionen und Identität - mit einer Rückkehr der sicheren klassischen Werte, die früher als Garant für Erfolg galten. Als Symbol für die Rückbesinnung zu traditionellen Werten gilt die Nominierung der Uhr des Jahres 2009: ein schlichter Stil für den Herrn und ein klassisches Konzept für die Dame aus namhaften Häusern der Branche.

Hochrangige Vertreter der internationalen Uhrenindustrie und der Presse verkündeten und zeichneten die neue Uhreneleganz aus. Back to the roots - zurück zu den Wurzeln - gilt daher als neues Erfolgskonzept der Schweizer Uhrenindustrie. Back to the roots beschreibt einen Trend und einen Zeitgeist, der alte und edle Uhrenmodelle aufgreift, modernisiert und perfektioniert. Der neue Trend gibt den vorsichtig konservativen Unternehmern Recht, die bislang durch ihre traditionelle und marktorientierte Produkt- und Unternehmenspolitik auf Entlassungen und Kurzarbeit verzichten konnten. 'Low Profil' ist der Ausdruck neuen Denkens - 'low profil' bedeutet für einen konservativen Unternehmer seine Geschäfte korrekt, bescheiden und ohne Arroganz abzuwickeln. Unternehmer, die nach dieser Maxime handeln, sind durchaus stolz auf ihre Qualitätsprodukte. Sie argumentieren überzeugend, denn der Kunde erhält für ein erstklassiges Chronometer viel Qualität zu einem angemessenen Preis und muss nicht mehr über 10.000 Franken für eine gute mechanische Uhr investieren. 'Low profil'-Unternehmer sind folglich trendy - eine gute Nachricht für jeden „State of the art“ Uhrenliebhaber.